Wirtschaft

Der Absturz von Wirecard: Hintergründe, Auslöser und Folgen

Der Zahlungsdienstleister Wirecard steht am Abgrund. Am 26.06.2020 lag der Kurswert der Aktie zeitweilig bei 1,28 Euro. Vor zwei Tagen stellte das Unternehmen einen Insolvenzantrag. Laut verschiedener Medien können diesen Monat nicht einmal mehr die Gehälter der Mitarbeiter (rund 5.000) gezahlt werden.

Vom Aufstieg zum Niedergang

Vor nicht allzu langer Zeit gehörte Wirecard zu den Vorzeigeunternehmen der deutschen Digital-Branche. Wirecard kam mit der Abwicklung vom bargeldlosen Zahlungsverkehr durch eine innovative, digitale Infrastruktur mächtig in Schwung. Der Zahlungsdienstleister überprüft zum einen mit seiner Software, ob Kunden im Bereich des Internet-Einkaufs vertrauenswürdig sind. Zum anderen wickelt er die elektronischen Überweisungen ab. Wer mit Kreditkarte bei Amazon und Co. shoppt, kann meist davon ausgehen, dass die Abwicklung im Hintergrund über den DAX-Konzern erledigt wird.

Wirecard lieferte, was auf den Finanzmärkten äußerst willkommen ist: Steigendende Umsätze und Gewinne Jahr für Jahr. Zukäufe, beispielsweise aus Asien, und der Wachstum des Onlinehandels trugen ihren Teil dazu bei. Selbstverständlich stieg gleichzeitig der Börsenwert Wirecards rasant an. Lag er vor zehn Jahren noch bei gut 12 Milliarden Euro, präsentierte er sich im Februar 2020 mit 17 Milliarden Euro. Der Kurs der Aktie betrug zu diesem Zeitpunkt 140 Euro, heute um 1 Euro. Das ist der zweitgrößte Kursrutsch der DAX-Historie und das erste Mal überhaupt, dass ein DAX-Unternehmen Insolvenz anmeldet.

Vorwürfe gegen Wirecard

Die massiven Vorwürfe sind nicht neu, bereits Anfang 2019 kamen sie auf. Ihr Kontext: Irgendetwas stimmt nicht mit der Bilanz des Unternehmens. Der DAX-Konzern allerdings wies die Kritiken immer wieder zurück. Gleichzeitig sollte eine Bestätigung durch Bilanzprüfer erfolgen, dass alles in Ordnung sei. Diese tauchte jedoch nie auf. In den Frühlingsmonaten 2020 kam es zu einer mehrfachen Verschiebung der Bilanzvorstellung. Der Knall erfolgt am 18. Juni: sie platzte ganz.

Am gleichen Tag teilte Wirecard mit, dass ein Betrag von knapp zwei Milliarden Euro nicht aufzufinden wäre. Angeblich parkten sie auf den Philippinen. Nachdem die dortigen Banken veröffentlichten, dass die Summe nicht auf den Treuhandkonten liegt, trat Vorstandschef Markus Braun zurück. Sein Vertrauter Jan Marsalek wurde bereits einen Tag zuvor suspendiert. Einige Branchenkenner verdächtigen das Unternehmen: Sie halten für möglich, dass es die Gelder nur auf dem Papier gab. Somit konnten der hohe Umsatz und der Gewinn vorgetäuscht werden. Eins ist sicher: Sollte sich der Verdacht bewahrheiten, sorgt Wirecard für einen der größten Fälle in Sachen Bilanzfälschung in der deutschen Wirtschaftsgeschichte.

Weitreichende negative Folgen

Dass das Unternehmen mit einem Loch von 1,9 Milliarden Euro in der Bilanz kurz vor dem Abgrund steht, ist eine unausweichliche Tatsache. Immerhin entspricht dieser Betrag nahezu einem Drittel der Bilanzsumme aus dem Jahr 2018. Darüber hinaus haben Banken die Möglichkeit, nunmehr Kredite in entsprechender Gesamthöhe abzurufen. Für den Wirtschaftsstandort Deutschland bedeutet der Absturz, dass das Vertrauen in diesen und sein Ansehen stark leiden. Wirecard spielte ist in der Börsenliga weit oben. Der Bilanzskandal richtet beim DAX, dem Aushängeschild der deutschen Wirtschaft, in jeden Fall einen großen Schaden an. Außerdem könnten Anleger ihre gesamte Investition verlieren. Wie sich der Absturz Wirecards auf den Zahlungsverkehr selbst und die tausenden Mitarbeiter des Konzerns auswirkt, ist zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht zu überblicken.

Photo by Ales Nesetril on Unsplash

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